Die Geburt eines Kindes ist ein komplexer Vorgang des Körpers, in welchem viele Mechanismen zusammenspielen. Hebammen stehen immer wieder neu vor der Herausforderung der Geburtsbegleitung, da jede Geburt einzigartig ist. Man fiebert mit der Familie mit, man leidet und freut sich mit. Gelegentlich gibt es Geburten, die sich fest einbrennen, da sie anders verlaufen als man ursprünglich gedacht hat. Oder sie sind so berührend und ergreifend, dass man sie gar nicht vergessen kann. In dem Moment, wo sie stattfinden, nehmen sie die volle Aufmerksamkeit ein.

Majas Geburt

Ich möchte gerne eine für mich rührende Geburt mit euch teilen. Maja (Anonymisiert) ist eine Erstgebärende am Termin, welche mit regelmäßigen Wehen alle 5 Minuten in Begleitung ihres Partners in den Kreißsaal kommt. Maja und ich kennen uns bereits, da sie aufgrund von Frühgeburtsbestrebungen einige Wochen lang stationär bei uns in der Klinik war.

Nachdem wir ein CTG geschrieben haben, untersuche ich sie. Ihr Muttermund ist bereits 5 cm eröffnet. Da die Wehen sehr schmerzhaft sind und sie bereits seit fünf Stunden andauern, wünscht sie Maßnahmen zur Schmerzerleichterung. Wir besprechen zusammen die Möglichkeiten und sie entscheidet sich für eine Entspannungsbadewanne.

In der Entspannungsbadewanne sind die Wehen nun erträglicher und Maja kann sich in den Wehenpausen sogar etwas entspannen. Nach einer Stunde merkt sie jedoch, dass sich etwas verändert. Die Wehen werden intensiver und der Druck nimmt zu. Sie kann die Wehen nur noch schlecht veratmen. Ich untersuche sie erneut und stelle fest, dass sie bereits bei 8 cm ist. Wir wechseln den Raum und gehen in meinen Lieblingskreißsaal. Dort äußert sie den Wunsch nach einem Schmerzmittel. Wir probieren Lachgas aus, mit welchem sie jedoch nicht so gut zurechtkommt. Schließlich wünscht Maja die PDA (Periduralanästhesie).

 

Ein kritischer Moment

Ich bereite alles vor und informiere die Anästhesisten, als Maja einen Flüssigkeitsabgang angibt. Ihre Fruchtblase ist gesprungen und in diesem Moment passieren viele Dinge gleichzeitig: Die Herztöne von Majas Tochter fallen ab und Maja wird vom Wehenschmerz überwältigt. Zuerst versuche ich Maja wieder zu beruhigen und zur tiefen Bauchatmung anzuleiten. Im gleichen Zuge wechsel ich ihre Position, um ihrer Tochter die Möglichkeit zu geben sich von dem Stressmoment erholen zu können. Die diensthabende Kreißsaal-Ärztin ist sogleich zur Stelle und kontrolliert die Herztöne des Kindes per Ultraschall, diese haben sich wieder normalisiert. Maja kann die Wehen kaum noch veratmen und gibt einen Pressdrang an. Ich versuche erneut sie zu beruhigen und gemeinsam mit ihrem Partner veratmen wir die Wehen zusammen. Eine erneute vaginale Untersuchung ergibt, dass der Muttermund nun vollständig eröffnet ist und das Köpfchen während der Wehe gut tiefer drückt.

Die Austrittsphase

In Anbetracht des sehr guten Geburtsfortschritts entscheidet sich Maja nun doch gegen die PDA – die Geburt ihrer Tochter rückt näher und näher. Das schnelle Voranschreiten der Geburt gibt Maja nochmals neue Energie. Mit dem Tiefertreten des kindlichen Köpfchens beginnt bei Maja der Pressdrang und Maja schiebt intuitiv in der Wehe mit. Sie braucht keine aktive Unterstützung von mir und ich gebe ihr den nötigen Freiraum zur Geburt ihres Kindes. Sie wechselt mehrfach die Position von Seitenlage, Vierfüßlerstand und Rückenlage. In Rücklage stellt Maja fest, dass sie so am besten mitschieben kann. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: das Köpfchen wird in der Wehe sichtbar. Ich leite Maja zum aktiven Mitschieben an, um ihrer Tochter den Weg um die Symphyse (Schambein) zu erleichtern.

Das Mädchen wird geboren

Nun ist es so weit und der Kopf von Majas Tochter ist kurz davor geboren zu werden. Damit der Damm bei der Geburt des Köpfchens nicht überstrapaziert wird und der Kopf schonend geboren werden kann, ist es enorm wichtig, dass die Gebärende auf die Worte der Hebamme hört. Nach der Kopfgeburt fehlen nur noch die Schultern und der Rest des Körpers. Damit dieser Teil geboren werden kann, muss das Kind nochmals eine letzte Drehung vollziehen. Wichtig ist, dass eine Gebärende weiterhin tief in den Bauch atmet, um die Sauerstoffversorgung des Kindes aufrecht erhalten zu können. Deshalb leite ich Maja zu den letzten tiefen Bauchatmungen an. Ihre Tochter macht die gewünschte Drehung, die Wehe kommt und es ist geschafft. Majas Tochter schreit sofort kräftig durch, wird rosig und darf zur ersten Kontaktaufnahme auf Majas Brust. Wir warten auf das Auspulsieren der Nabelschnur und der frischgebackene Vater darf diese durchtrennen.

Nachdem die Versorgung von Maja und ihrer Tochter vollständig abgeschlossen ist (Plazentageburt, Naht, U1 und Maße) und ich der Familie ausreichend Zeit zum Kennenlernen geben möchte, verabschiedet sich Maja mit folgenden Worten: „Ich hatte wirklich gehofft, dass du mich bei der Geburt meiner Tochter begleitest. Ich weiß, dass ich bei dir in guten Händen bin. Vielen Dank, dass du mich so toll unterstützt hast!“

Fazit

Diese Worte haben mich sehr berührt, denn ich finde, dass man als Hebamme gar nicht mehr Lob erhalten kann als die ehrlichen Worte einer frischgebackenen Mutter. Dass man eine Geburt, trotz Schmerzen und Frustration zu etwas Schönem und Natürlichen gestalten kann. Das größte Geschenk ist, dass man als Hebamme an so einem bewegenden Moment teilhaben darf.